Der Schein trügt

128 Minuten | FSK 16

Regisseur Srdjan Dragojevic (QueerFilmFestival-Besucher:innen erinnern sich sicher gerne an PARADA) gelingt nichts weniger als eine so kluge wie furiose und groteske Bestandsaufnahme des post-sozialistischen Europas, eine hinterlistige, äußerst kurzweilige und sehr schlaue Abrechnung mit der Macht der Bilder und der Lust an der Projektion.

Stojan ist ein unbescholtener Mann, fürsorglicher Familienvater und sehr bescheiden. Ein Kurzschluss der Glühbirne bringt ihm unverhoffte Erleuchtung: ein Heiligenschein ziert plötzlich Stojans Haupt. Er wird zu der Attraktion in der Nachbarschaft und stellt das beschauliche Leben seiner Familie auf den Kopf. Stojans Frau Nada ist vom Trubel schnell genervt. Das Ding muss weg und eine Mütze ist bekanntlich keine Dauerlösung. Doch nachdem auch gründliches Haarewaschen nichts bringt, verdonnert sie ihren Mann zu einem ausgiebigen Curriculum in Sachen Sünde. Ein bisschen Völlerei hier, ein wenig Ehebruch dort. Von derlei Tricksereien lässt sich der edle Nimbus nicht beeindrucken. Stojan ackert sich durch alle Todsünden – und findet schließlich Gefallen an der Grausamkeit. Und nicht nur er. Je herzloser Stojan seinen Vorteil ausnutzt, umso bereitwilliger wird er von den Nachbarn als moralische Instanz akzeptiert. Es stellt sich heraus: der schöne Schein überstrahlt auch noch den schlimmsten Frevel.

Credits

2021 | Serbien, Mazedonien, Kroatien, Slowenien, Deutschland, Montenegro

R+B: Srdjan Dragojevic
K: Dusan Joksimovic
D: Goran Navojec (Stojan), Ksenija Marinkovic (Nada), Natsa Markovic (Julija), Bojan Navojec (Gojko), Milos Samolov (Svestenik)

Trailer