1001 Nacht – Teil 1 – Der Ruhelose
Wow, was für ein kühnes Meisterwerk! Eine sechseinhalb Stunden (bitte nicht gleich das Weiterlesen einstellen!) dauernde, vielschichtige Filmtrilogie, die dokumentarische und fantastische Geschichten miteinander verwebt – wütend, ironisch, poetisch, skurril, verspielt, packend ... 1001 NACHT ist ein höchst spannender und eigenwilliger Beitrag zur derzeitigen Diskussion um Europa und unbedingt sehenswert, auch wenn es von den werten Zuschauenden schon ein bisschen „Sitzfleisch“ einfordert.
Zu Beginn der drei Teile macht Regisseur Miguel Gomes jedes Mal klar, dass es sich eben nicht um eine Verfilmung der klassischen Erzählungen handelt, die hierzulande unter dem Titel „Tausendundeine Nacht“ bekannt sind, sondern dass er lediglich die Struktur der Märchensammlung übernommen hat: Schockiert von ihrer Untreue lässt der mächtige König Schahriyâr seine Frau ermorden und verlangt fortan jede Nacht eine neue Jungfrau, die am darauffolgenden Morgen ebenfalls hingerichtet wird. Um das schier endlose Morden zu beenden, beschließt die Tochter des Wesirs, der für die Auswahl der Frauen verantwortlich ist, selbst Königin zu werden. Scheherazade, so ihr Name, erzählt dem Herrscher täglich eine Geschichte und beendet sie abrupt an der spannendsten Stelle, um so das Töten aufzuschieben ... Allerdings erzählt sie Vorkommnisse aus Portugal zwischen August 2013 und Juli 2014, also aus jener Zeit, in der das Land von der EU mit einem strengen Sparprogramm gleichsam als Geisel gehalten wurde. Dabei vermischt Gomes (TABU - EINE GESCHICHTE VON LIEBE UND SCHULD) in seinem Mammutprojekt vielfältige Stile zu einem reichhaltigen visuellen und intellektuellen Festschmaus: Theatralische und dokumentarische, naturalistische und surreale, wütende und zauberhafte, offensichtlich anklagende und subtil beobachtete Passagen fügen sich zu einer, in ihrer puren Kühnheit, bahnbrechenden Kinotrilogie. „Man könnte fast behaupten, die EU-Sparauflagen hätten doch etwas Gutes gehabt, immerhin haben sie uns ja 1001 NACHT beschert. Allerdings ist es genau dieser Zynismus, den Gomes uns mit seinem erhabenen, zutiefst menschlichen Epos austreibt.“ (filmstarts.de)
Credits
2015 | Portugal, Frankreich, Deutschland, Schweiz
AS 1001 NOITES: 1 | R: Miguel Gomes | B: Miguel Gomes, Mariana Ricardo &, Telmo Churro | K: Sayombhu Mukdeeprom, Mario Castanheira & Lisa Persson | D: Crista Alfaiate (Pun Maria/Scheherazade/Genie/Contesse Beatrix), Adriano Luz (Gewerkschafter), Américo Silva (Großvesir), Rogério Samora (Premierminister), Carloto Cotta (Übersetzer/Careto), Manuel Gomes (Regisseur) Fernanda Loureiro (Schauspielerin/Luísa)
Trailer