Toni Erdmann

162 Minuten | FSK 12

Kritik: Der orgiastische Rausch, mit dem die deutsche Komödie Toni Erdmann vor wenigen Wochen beim Filmfestival in Cannes gefeiert wurde, war fürs kühle deutsche Kinogemüt fast schon ein bisschen unheimlich. Zuvor schon hatte der dritte Film von Maren Ade nach DER WALD VOR LAUTER BÄUMEN und ALLE ANDEREN für reichlich Wirbel in der deutschen Filmindustrie gesorgt, denn seit sieben Jahren hatte es erstmals wieder eine deutsche Produktion in den exklusiven Wettbewerb von Cannes geschafft. Dort gab es dann minutenlangen Szenenapplaus und Standing Ovations, lagen sich die internationalen Kritiker quasi in den Armen vor Glück, und schien es, als hätte die Magie dieses Films so manchen Zyniker wieder daran erinnert, warum es sich überhaupt lohnt, ins Kino zu gehen. Eine Titelseite in Le Monde! Jubelstürme in der New York Times! Selbst die emotionsarmen und gewinnfixierten Filmeinkäufer spielten verrückt: Die Verleihrechte an dem Film wurden mittlerweile in 55 Länder verkauft – eine ziemlich stolze Zwischenbilanz. Ernüchterung dann zwar, als klar war, dass die Cannes-Jury weder den Film noch die beiden grandiosen Hauptdarsteller mit  Preisen bedacht hat, aber die Gewissheit bleibt, dass der Film national wie international seinen Weg in den Kinos machen wird. Alles andere wäre eine Schande und vor allem verdammt schade für alle, die sich diese wilde, komische und kluge Komödie entgehen lassen ...

Inhalt: In TONI ERDMANN hat sich die Filmemacher-in in jenes (den meisten wohl nur allzu bekannte) Gefühl zurückgegruselt, das Eltern in einem ausgelöst haben, als auf dem Schulfest keiner am Tisch ihren Witz lustig fand. Ines Conradi arbeitet erfolgreich als Unternehmensberaterin in Bukarest und demnächst Shanghai und schaut nur noch für einen Stopover im schwäbischen Remchingen bei ihrem Vater vorbei. Sie verdient viel eigenes Geld, schuftet hart für ihre Karriere und trifft sich abends noch zwecks Kundenakquise mit Vorständen großer Unternehmen auf einen Drink. Das ist jetzt ihr Leben, und Ines ist davon überzeugt, dass nichts darin sie noch mit ihrer Herkunft verbindet. Remchingen und ihr Vater sind verdammt weit weg. Man könne ja bald mal ausführlich skypen, tröstet sie ihn zum Abschied. Er werde sie bald in Bukarest besuchen, ruft der Musiklehrer mit seiner kindlichen Freude an Streichen und Scherzen ihr noch nach. Und tut es tatsächlich, womit sie nicht gerechnet hatte. Sie wimmelt ihn ab und er gibt nicht auf, kommt erneut und nun als sein Alter Ego Toni Erdmann mit falschen Zähnen, schlechter Perücke und wilden Klamotten. Er vermisst seine Tochter, mit dem Verkleidungstrara will er ihr wieder näher kommen, will unter ihrer Maskerade der erfolgreichen Geschäftsfrau sein Mädchen aus Remchingen wieder finden. Für Ines ist sein Auftritt  in einer Bar einfach nur entsetzlich peinlich, und das Loch, das sie sich herbeiwünscht, so groß, dass ganz Bukarest darin versinken könnte. Doch dann machen die beiden eine verblüffende Entdeckung: Je härter sie einander zusetzen, desto enger rücken sie zusammen.

Credits

2016 | Deutschland, Österreich, Rumänien

R+B: Maren Ade | K: Patrick Orth | D: Sandra Hüller (Ines Conradi), Peter Simonischek (Winfried Conradi/Toni Erdmann), Michael Wittenborn (Henneberg), Thomas Loibl (Gerald), Trystan Pütter (Tim), Hadewych Minis (Tatjana), Lucy Russell (Steph), Ingrid Bisu (Anca), Vlad Ivanov (Iliescu), Victoria Cocias (Flavia)

Trailer