Hannah Arendt

113 Minuten | FSK 6

Margarethe von Trotta hat die Titelrolle ihres Films über Hannah Arendt (1906-1975) mit Barbara Sukowa besetzt – und damit in zweierlei Weise auf die denkbar beste Weise. Vor gut 25 Jahren hat Barbara Sukowa bereits Rosa Luxemburg gespielt. Und die Kontinuität dieses Castings unterstreicht eine geistige Kongruenz, handelt es sich bei den zwei Frauen doch um die für Deutschland bedeutendsten politischen Theoretikerinnen nicht nur des vergangenen Jahrhunderts. Zum zweiten ist die Sukowa natürlich eine begnadete Schauspielerin, stellt Arendt als die strenge, absolut unbestechliche Diskutantin dar, als die man sie in legendären Fernseh- oder Radiosendungen erleben kann, verleiht ihr in unbekümmerteren Szenen aber auch genau jene spezifische New Yorker „Leicht-herzigkeit“, die Arendts Kritiker ihr zum Vorwurf machten, schafft es sogar, dass man ihrer dauerrauchenden Figur gerne beim Denken zuschaut. Doch nicht nur die Sukowa trägt zum Gelingen des Films bei. Caroline Champetiers scheinbar schlichte Bilder gliedern den fortlaufenden Austausch von Argumenten klar und sachlich und verleihen dem Film einen angenehm unprätentiösen Look. Von Trottas Entscheidung, Eichmann nicht von einem Schauspieler verkörpern zu lassen, sondern die Originalaufnahmen aus dem Prozess zu verwenden, ist sehr klug, zwingen sie in ihrer Länge auch den Kinozuschauer zu jener Konfrontation mit dem mörderischen „Hanswurst“, dem sich Arendt ausgesetzt sah. Unterm Strich: Worüber hier wortweich diskutiert wird, ist heute so aktuell und spannend wie vor 50 Jahren und die naheliegende Annahme, Philosophie lasse sich nicht verfilmen, überzeugend widerlegt.


Anders als der Titel vermuten lässt, ist Hannah Arendt kein Biopic. Der Film beschränkt sich, mit Ausnahme einiger kurzer Rückblenden in ihre Studentenzeit in Heidelberg, auf die Jahre 1960 - 1964. Als die Handlung einsetzt, ist sie bereits eine etablierte Größe. Ihre Studien zum Totalitarismus haben der deutsch-jüdischen Philosophin weite Anerkennung über die üblichen Fachkreise hinaus beschert, sie hat die amerikanische Staatsbürgerschaft erhalten und darf als Professorin arbeiten. Als sie von der Verhaftung des NS-Verbrechers Adolf Eichmann, des Verantwortlichen für die reibungslose Deportation der europäischen Juden in die Vernichtungslager des Ostens, durch den israelischen Geheimdienst und dem kommenden Prozess erfährt, ist sie derart elektrisiert, dass sie dem „New Yorker“ ungewöhnlich impulsiv anbietet, davon zu berichten. Ihre Artikelserie über die Prozesse , später als Buch veröffentlicht, lösten einen Skandal aus. Man warf ihr vor, Eichmann zu verharmlosen, indem sie ihn entdämonisierte. Sie prägte in diesem Zusammenhang den Begriff von der „Banalität des Bösen“. Zum anderen wurde ihr unterstellt, die Judenräte aufgrund deren vermeintlich passiven oder kooperativen Verhaltens für den Genozid mitverantwortlich machen zu wollen. Freunde und Bekannte wandten sich von ihr ab, die Medien zogen über sie her und sie verlor ihre Professur. Doch Hannah Arendt war nicht bereit, ihre Überzeugungen zu relativieren oder sich zu verteidigen. Heute wird ihre Analyse der Täter im Nazi-Apparat weithin akzeptiert; die Diskussion über ihre Bewertung der Judenräte ist aber noch immer nicht beendet!

Credits

2012 | Deutschland, Luxemburg, Frankreich, Israel

R: Margarethe von Trotta | B: Margarethe von Trotta & Pamela Katz | K: Caroline Champetier | D: Barbara Sukowa (Hannah Arendt), Axel Milberg (Heinrich Blücher), Janet McTeer (Mary McCarty), Julia Jentsch (Lotte Köhler), Ulrich Noethen (Hans Jonas), Michael Degen (Kurt Blumenfeld), Klaus Pohl (Martin Heidegger), Friederike Becht (Hannah Arendt, jung), Harvey Friedman (Thomas Miller)

Trailer